Dienstag, 18. September 2012

Dunkle Sonnenbrillen



Ich wünschte, es gäbe ein Richtig und ein Falsch im Leben und ich wünschte, es gäbe sonst nichts. Ich wünschte, ich hätte kein Gewissen. Ich wünschte, Du hättest ein Gewissen.
Ich wünschte, ich könnte weniger sehen. Nur Schwarz und Weiß.
Ich sehe eine unendliche Vielfalt an Grauabstufungen dazwischen, ich kann mich in jeden Standpunkt hinein versetzen und ich will mich in jeden Standpunkt hineinversetzen, bevor ich handle.
Die meisten Menschen werden wütend, wenn jemand sie verletzt hat. Auf denjenigen, der sie verletzt hat. Sie denken in ihrer Wut nicht lange über Richtig, Falsch, Weiß, Schwarz, fair, unfair nach, bevor sie handeln, sie tun es einfach. Und danach fühlen sie sich besser, von sich selbst bestätigt und erlöst.
Ich beobachte, werte Deine Persönlichkeit aus, denke über Deine Vergangenheit und über Deine Zukunftspläne nach, lege mir ein Puzzlebild von Dir zurecht und sehe mich aus Deinen Augen. Ich stelle mir irgendeine Situation vor, überlege mir, wie Du reagieren würdest, merke, dass alles stimmt, dass mein Bild von Dir sehr nah an die Wirklichkeit grenzt und freue mich. Ich fühle mich beinahe mächtig.
Und dann verstehe ich alles, was Du je getan hast. Es gibt keine Konsequenz für Dich.
Gleichzeitig weiß ich, dass Du nie verstehen würdest, wie ich Dich verstehen kann. Es würde Dich wütend machen.
Es ist nicht so, dass ich nie auf irgendjemanden wütend bin. Allerdings bin ich es eher auf mich, zum Beispiel jetzt.

Ich wünschte, die Analyse, das Verstehen und die Kontrolle selbst wären nicht meine größte Sucht.

Montag, 25. Juni 2012

Verloren



Der Club ist vollkommen überfüllt und die Musik dröhnt so laut durch den alten Bunker, dass der Boden bebt. Die Wände sind bunt besprayt, Aufkleber gegen Nazis und Kommerz wurden wahllos über Plakate von verschiedenen Bands aus vergangenen Nächten geklebt. Wir stehen zu zweit an der Kasse und warten, bis Naty, eine schlanke, gepiercte junge Frau mit unzähligen Tattoos am ganzen Körper, sich zwischen den Leuten zu uns durchgeschlängelt hat. Um uns zu umarmen, muss sie sich zu uns herunter beugen, so groß ist sie. Ich kenne sie kaum, ich sehe sie nur ab und zu in dem Piercingladen in der Innenstadt arbeiten. Sie ist etwa acht Jahre älter als wir, vielleicht 24.
Jessi, mit der ich hergelaufen bin, fragt sie, ob wir "so" reinkommen. Die Türsteher gucken doof, aber Naty winkt uns, wenn auch skeptisch durch und brüllt Jessi gegen die laute Musik zu, wir sollen auf uns aufpassen. Mindestalter ist eigentlich 18. Und eigentlich kostet die ganze Sache mit Freibier und neun ganz ordentlichen Bands, die die ganze Nacht durchspielen, nur fünf Euro, aber Jessi besteht immer darauf, dass wir unsere Sonderbehandlung bekommen.
Die Luft brennt und der Boden klebt. Auf der Tanzfläche pogen die Punks, die Bar im hinteren Teil des Clubs platzt wegen des Freibiers aus allen Nähten. Ich werde von tausenden Leuten begrüßt und setze mich zu der buntgemischten Gruppe von Freaks, unter denen ich meine besten Freunde habe, während Jessi sich zu den wenigen Goth gesellt. Hier treten vor allem Punk- und Hardcorebands auf, deshalb hängen die meisten Goth in der Dark-Kneipe in der Innenstadt ab.
Ich will mir gerade ein Bier holen, da sehe ich dich. Du sitzt in unserer Nähe und hast neben dir ein rothaariges Mädchen, welches dich bewundernd ansieht. Sie ist älter als ich und wahrscheinlich auch älter als du. Die Eifersucht überrumpelt mich. Plötzlich will ich erstmal doch kein Bier mehr, ich befürchte nämlich, dass ihr euch gleich küssen werdet.  
So ein hohler Gedanke, nur, weil du mich geküsst hast, ziehst du das doch nicht mit jeder anderen durch. Du bist und bleibst jemand, der niemals Menschen verletzen würde, die er gern hat. Auch wenn du immer so kalt wirkst. Außerdem würdest du deine Freundin nicht noch einmal betrügen, wo du sie doch schon mit mir betrogen hast und es dir für uns beide so Leid tut. Auch wenn ich seit dieser Nacht nur noch Luft für dich bin...
Scheiße, wenn du sie jetzt küsst, geh' ich zu dir und hau' dir eine rein. Ist mir egal, dass sich dann alle Anderen ihren Teil denken. Sie werden sowieso nicht darauf kommen, was passiert ist. Das traut man uns beiden nicht zu.


Natürlich kommt es nicht zu einem Kuss. Du siehst mich kurz an, ich schaue im richtigen Moment weg und tue so, als würde ich über einen der extrem schlechten Witze eines besoffenen Kumpels lachen, der sich langsam aber sicher Hoffnungen bei mir macht und bekomme aus dem Augenwinkel mit, wie die Rothaarige sich aus dem Staub macht, weiß der Teufel warum. Ist doch ganz normal, dass du dich auch mal ohne Weiteres mit einer weiblichen Person unterhältst. Wie bescheuert bin ich eigentlich. Du stehst auf und gehst, ohne mich zu beachten, an mir vorbei. Welch eine Überraschung. Dachte ich tatsächlich, dass du nach einem Monat Ignoranz plötzlich wieder bei mir antanzt? Fuck.
Einige Bierflaschen später bin ich mal wieder die Attraktion auf der Tanzfläche, da ich zum Glück ganz gut tanzen kann, es auf dieser Welt leider genug Idioten gibt, die mir hinterher rennen und ich (auch leider) nicht viel mehr als die meisten jungen Leute vertrage. Der Bassist holt mich unter dem übertriebenem Gekreische einiger Freundinnen, die zwar älter sind als ich, aber alkoholisiert um einiges jünger wirken, neben sich auf die Bühne. Er interessiert mich nicht wirklich, niemand interessiert mich in Wahrheit, ich suche mit den Augen zwischen den ganzen Gestalten, Iros, Nietengürteln und Springerstiefeln nach deinem Gesicht.
Ich will eine Reaktion von dir sehen. Ich ertappe mich dabei, wie ich versuche, dich eifersüchtig zu machen, wie ich hoffe, dass du siehst, wieviel Kerle mir nachlaufen.


Die will ich alle nicht. 


Ich will dich, weil du so kalt bist, weil du der erste warst, der nicht gleich an mir hing wie eine Klette, dem es gleichgültig zu sein schien, was ich tat. Der erste, der genauso abweisend zu mir war, wie er es zu allen anderen war. Der erste, der erst auftaute, als er mich besser kennenlernte, der mich nicht aufgrund meines Aussehens, sondern meines Charakters mochte. Der erste, der den Spieß einfach umdrehte, dem ich hinterherlief.


Ich entdecke dich rechts von der Bühne. Du hängst mit deinem Handy einsam auf einer Couch rum, deine Gesichtszüge sind bitter und ich kann nicht wirklich einschätzen, ob alles wie immer ist, oder ob du über mich nachdenkst.
Kurz nach vier hau' ich ab. Irgendwie habe ich realisiert, dass ich kam, weil ich hoffte, dich hier anzutreffen. Weil ich hoffte, du würdest mir endlich alles erklären. Hundert Fragen mehr, keine neuen Antworten. Plus weitere dreissig Leute, die jetzt meine Handynummer haben und mich nerven können. Das ist das Ergebnis dieser Nacht.


Wer hat hier wen verloren?

nicht fair


Ich denke an dich. Die ganze Zeit.
Erinnere mich an jedes einzelene deiner Worte, frage mich, ob sie für dich überhaupt einen Sinn ergaben.
Erinnere mich an deine Berührungen, frage mich, ob sie für dich eine Bedeutung hatten.
Erinnere mich an die Nacht vor einem Monat, frage mich, WAS ZUR HÖLLE WAR DAS FÜR DICH, WAS?!
Sehe dir dabei zu, wie du mich seitdem ignorierst und dich mit allen Mitteln von mir fernzuhalten versuchst. 
Frage mich, was du fühlst. 
Frage mich, ob deine Freundin immer noch nicht davon weiß. 
  Was bist du?

Groß.
Schön. 
Kalt.
Hass.
Launisch.
Lieb. 
Intelligent.
Arschloch.

Samstag, 19. Mai 2012

Zwölf Stunden



 Wir küssten uns zum Abschied. Was wir nicht wussten, ist, dass es bei diesem Abschied bleiben würde. Das war am Morgen.

Am Abend sahen wir uns wieder, doch du hattest deine Freundin dabei. Du ignoriertest mich. Sie begrüßte mich freundlich. Sie wusste von nichts.
Ich bin sauer auf dich, aber vor allem auf mich. Ich habe ein schlechtes Gewissen deiner Freundin gegenüber, über welche du noch am selben Morgen sagtest, dass du dich von ihr trennen würdest, sobald sie in der Stadt ankäme. Sie kam auch, obwohl ihr Beiden mehrmals heftigen Streit hattet, aber Schluss machtest du nicht. Und sie wusste auch nicht, dass ihr Freund vor wenigen Stunden mit einer anderen im Bett gelegen hatte und eigentlich nie wieder etwas von ihr wissen wollte.
An diesem Morgen war alles so glasklar, ohne jegliche Zweifel. Uns war zwar bewusst, dass wir ihr gegenüber unfair handelten, doch in diesem Moment schien die Tatsache, dass du in wenigen Stunden mit ihr Schluss machen würdest, wie eine Art Entschädigung.
Ich weiß nicht, was da zwischen Morgen und Abend, zwölf Stunden um genau zu sein, passiert ist, was da in dir vorgegangen ist, oder was sie getan hat. Sie war zwar nie besonders tolerant zu dir und hat dir das Leben eher unnötig schwer gemacht, aber niemand verdient solch einen Vertrauensbruch. Ich persönlich werde dir auch nicht mehr so wie früher vertrauen können, obwohl wir höchstwahrscheinlich wieder zueinander finden werden. Man sagt, dass wir uns mögen, sieht jeder Blinde. Und tatsächlich habe ich mich mit noch keinem Menschen so gut verstanden, wie mit dir. Dass ich schon Ewigkeiten in dich verliebt bin (und andersherum), macht es für mich nicht unbedingt einfacher. Für dich dagegen schon, jedenfalls reichte es, um mich herumzukriegen.
Letztendlich ist da eine wunderschöne Freundschaft in die Brüche gegangen und für dich wohl auch die Beziehung, denn, wie ich dich kenne, hast du große Schuldgefühle.
Ich bin nach wie vor ziemlich verwirrt. Zwischen all diesen Ereignissen liegt jeweils nur ein sehr geringer Zeitabstand. Aber glücklicherweise bin ich kein Mensch, der länger als zehn Minuten trauert oder in Selbstmitleid versinkt. Ich habe schon ganz andere Sachen erlebt und das hier wird mir sicherlich nicht die Ferien verderben. Glaube ich...

Samstag, 14. April 2012

Eine Stunde Und Sechsunddreißig Minuten



Er kommt herein, sieht sich im Flur um. Zieht seine schwere Lederjacke aus und betritt die Küche. Einfach so, als wäre er hier zuhause. Ich bitte ihn, die Schuhe auzuziehen. Draußen regnet es und die Wege sind matschig. Meine Mutter weiß nicht, dass er hier ist. Er hat Hausverbot, schon immer. Und wenn sie wieder von der Arbeit kommt, soll da nichts anders als sonst sein. Ich muss aufpassen.
Wir setzen uns in die Küche. Ich wollte ihn erst in das Wohnzimmer bitten, aber die Atmosphäre dort ist mir zu privat. Das wäre wie im falschen Film. Deshalb Küche. Er hängt seine Jacke über die Stuhllehne und packt eine XXL Packung Pall Mall aus. Die rauche ich auch immer. Ich überlege, ob ich ihm das sage, um ein Gespräch anzufangen, aber dann kommt mir die Idee bekloppt vor. Es muss doch noch andere Gemeinsamkeiten zwischen uns geben als Kippen. Anstatt tatenlos und ein wenig verloren im Raum zu stehen, gehe ich in mein Zimmer und hole einen Stapel guter CDs. Iron Maiden, Rammstein, Slipknot, Marilyn Manson, System Of A Down und sehr viel Metallica.
Als die Küche erneut betrete, hat er den Raum schon vollkommen für sich eingenommen und eine Sekunde lang bleibe ich perplex stehen, verwundert über so viel Anpassungsfähigkeit. Auf dem alten Holztisch ist sein abgenutzter Reiserucksack mit den vielen Patches, Reißverschlüssen und Nieten und dessen Inhat ausgebreitet. Viel Technik, vor allem seine große Filmkamera und tausendundeinemillion Kabel. Auf dem Boden stehen mehrere Plastiktüten und ein paar Flaschen Bier und Wein. Auf der Küchenplatte ruht für höchstens fünf Sekunden sein Handy, das allerneuste, was sie im Moment auf dem Markt haben, es ist bei ihm immer in Benutzung. Tag und Nacht. Außerdem einige Bücher, höchstwahrscheinlich ziemlich anspruchsvolle Thriller und Abenteuerromane. Wenn er Zeit hat, liest er viel. Und er hat dauernd Zeit, da er völlig unabhängig von allen anderen lebt. Ich glaube, er hat das Leben, das sich so viele wünschen. Ich sage nicht, dass sie es, wenn sie es hätten, immer noch so wundervoll finden würden.
Ich frage ihn, welche CD ich in die Anlage legen soll. Er will Rammstein. Ich lege Rammstein ein.
Er beginnt zu erzählen. Seine Lieblingsbeschäftigung. Er erzählt und alle Zuhörer werden mitgerissen, egal wie viele es sind, es können auch über 50 sein.
Er ist das ganze Stück bis hier hin getrampt. Von Spanien bis zur Ostsee und von der Ostsee bis hier. Natürlich könnte er sich einfach einen Flug mit einem Privatflugzeug leisten, oder eine Fahrt mit der Limousine und Zwischenstopp in allen auf der Strecke liegenden Hiltons. Aber er braucht seine Freiheit, er muss sich beweisen, wer er ist. Er will kein Spießer sein. Er ist einzigartig. Und schon wieder bewundere ich ihn und gleichzeitig widert mich sein Narzissmus an. Ich lache, wenn er von dem Musiker spricht, der ihn auf der Autobahn mitgenommen hat, von seiner eifersüchtigen Bettbekannschaft berichtet und ihm gleich Karten für sein nächstes Konzert geschenkt hat.

Außerdem lache ich über die Geschichte von dem deutschen Mann mittleren Alters, den er an einem Supermarkt in Paris kennengelernt hat. Er hatte Lumpen an, saß mit seinem Straßenköter vor den Einkaufswagen und warf Münzen und Geldscheine auf die Straße. Der Erzählende setzte sich ohne zu zögern neben ihn, gab ihm ein paar Zigaretten und Bier und fragte ihm nach dessen Namen. Doch den wusste dieser nicht mehr, er hatte ihn vergessen. Deshalb durfte man ihn ruhig den Mann ohne Namen nennen. Der Erzählende fragte, was er den ganzen Tag so tat und warum er sein Geld auf die Straße warf. Der Mann ohne Namen antwortete, dass seine Frau ihn eines Tages raus geschmissen hatte, weil sie genug von ihm und seiner Kohle hatte. Sie meinte, er existiere gar nicht mehr, alles was ihn ausmache, sei sein Geld. Er war mal Chef einer Firma. Nun hatte er gekündigt und war mit dem Schotter, welchen seine Frau nicht mehr sehen wollte, abgehauen, in eine völlig neue Stadt. Mit dem Geld warf er sein altes Leben auf die Straße und wenn er alles weggeworfen hatte, wollte er ein neues Leben beginnen. Er bot dem Erzählenden als Dank für sein Zuhören mit gleichgültiger Miene einen Hunderter an, doch der Erzählende lehnte ab und sie verabschiedeten sich wie gute Freunde.

Er holt die Fotokamera heraus und zeigt mir Bilder, die er auf dem Weg hier her gemacht hat. Der Mann ohne Namen ist auch zu sehen. Die Bilder sind ausgezeichnet. Kein Wunder, dass sich alle Galerien nur so um ihn reißen. Letztens hat er einfach so seine Lieblingsgalerie aufgekauft, da sie pleite war. Er will sie ganz neu aufbauen. Gleichzeitig will er auch ein Konzert mit seiner Band in Berlin geben, arbeitet alle drei Tage aus Spaß als Koch in einem Restaurant, ist Chef einer ganz neu gegründeten Firma, die Kontakte für Prothesenfirmen auf der ganzen Welt herstellt, reist zwischendurch immer mal nach Afghanistan, um für die Nachrichtensender zu filmen, betreibt einen Zeltplatz an der Ostsee und bereist auf der Suche nach neuen unglaublichen Erlebnissen die Welt. Und das ist auch nur ein kleiner Teil von dem, was er zur Zeit am Laufen hat und von dem, was er noch vor hat.
Seine Spontanität, Lebensfreude und Ausstrahlung erschlagen mich immer wieder. Ich sitze einfach nur da und höre zu. Selbst rede ich nicht viel. Ab und zu lache ich oder kommentiere knapp, aber dabei bleibt es auch. Er stellt mir keine Fragen. Mein Leben interessiert ihn nicht. Wozu auch? Er hat sein eigenes und das ist um einiges spannender als jedes andere. Früher war das so schwer für mich, diese Philosophie zu verstehen, seine Philosophie, mittlerweile habe ich mich damit abgefunden, dass er sich einen Scheißdreck für mich und alle anderen interessiert. Für ihn bin ich wie alle anderen. Eine weitere Person, eine weitere Bewunderin, eine weitere Anbeterin. Und davon gibt es tausende.
Sein Handy klingelt. Ich bin irgendwo zwischen einer explosionsartigen guten Laune, Heulen und Kotzen. So geht es allen mit ihm. Erzählen jedenfalls seine ganzen Freunde, so nennen sie sich. Er selbst nennt sich Einzelgänger.
Er muss los. Irgendwo wird er jetzt sofort gebraucht. In geübter Hochgeschwindigkeit packt er seine unzähligen Sachen, die alle ihre eigenen Geschichten erzählen könnten, zusammen und zieht sich wieder Jacke und Schuhe an. Er trägt grundsätzlich Klamotten aus einer anderen Zeit, einer vergangenen. Wenn man ihn so ansieht, ahnt man eigentlich gar nicht, wie viel Geld er hat. Seine Kleidung deutet mehr auf seine Abenteurerseele als auf seinen sozialen Stand.
Plötzlich steht er in der Haustür und verabschiedet sich. Da fällt ihm ein, ich hatte doch letztens Geburtstag. Oder? Ja. Er kramt in einer der Seitentaschen und zieht etwas Goldenes heraus und gibt es mir ohne mich anzusehen. Dann sagt er "Auf Wiedersehen" und läuft die Treppe zur Haustür herunter. Ich schließe die Tür. Ich atme tief durch. Ich gehe zum Fenster. Da läuft er und er schaut nicht zurück. Natürlich nicht. Da läuft er mit all seinen Sachen, Geschichten und wird gleich wieder seine nächsten ungewöhnlichen Erfahrungen machen, das ist bei ihm Naturgesetz. Er wird mich in den nächsten Stunden schon wieder vergessen haben, ich bin weniger als nur seine Tochter.
Bevor mir die Tränen kommen, sehe ich auf den Gegenstand, den er mir gegeben hat. Eine alte, goldene, wunderschöne Taschenuhr. Sie funktioniert sogar noch. Aber ich müsste sie richtig einstellen, sie tickt in ihrem eigenen Takt.